Bernd Pickert, taz:

Denn was Deutschland seit einem Jahr diskutiert, zu große Abhängigkeit von Russland und China, kennt Lateinamerika im Verhältnis zu den USA schon viel länger. Das Auftreten Europas, aber eben auch Chinas und in sehr eingeschränktem Maße auch Russlands nach dem Ende des Kalten Krieges hat Handlungsspielräume und Alternativen eröffnet, die man nicht wieder schließen will.

Zweitens aber auch: Mit Sputnik, RT und dem in Venezuela beheimateten Telesur gibt es gleich drei größere Medienplattformen, die in ganz Lateinamerika tagesaktuell russische Positionen verbreiten. Aufsetzend auf ein westliches Glaub­würdigkeits­problem angesichts der früheren Unterstützung aller noch so brutalen latein­amerikanischen Militärdiktaturen fällt es nicht schwer, alternative Diskurse populär zu machen, wie sie jetzt Brasiliens Präsident in der Pressekonferenz zum Besten gab.

Eine regelbasierte Außen-, Militär- und Menschen­rechts­politik, wie sie Europa jetzt zu Recht in der Ukraine verteidigt, hat Lateinamerika weder von den USA noch von Europa erfahren, im Gegenteil. Eine Äquidistanz zu beiden kriegführenden Parteien, wie sie Lula andeutet, ist da noch das Beste, was der Westen erwarten kann.

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